Die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus in Saarbrücken und im Saarland hat in den letzten Jahren bisher lange Zeit vernachlässigte, ausgegrenzte oder nicht anerkannte Opfergruppen in den Blick genommen. Dies gilt insbesondere für Saarbrücken.
Dafür stehen der 2024 fertiggestellte Klangkörper „Nachhall“ im Saarbrücker Echelmeyerpark zur Erinnerung an die von den Nazis ermordeten Sinti und Roma sowie der 2025 beschlossene „Goldene Kitt“ in der Faßstraße zur Erinnerung an die Verfolgung queeren Lebens.
Das Stadtarchiv hatte 2017 einen runden Tisch zur Aufarbeitung der Verfolgungs- und Diskriminierungsgeschichte von Homosexuellen angeregt, Ergebnis war unter anderem ein vom Landtag gefördertes Forschungsprojekt, das kurz vor dem Abschluss steht.
Bei Stolpersteinverlegungen legte Saarbrücken den Blick auf alle Stadtteile und bisher kaum wahrgenommene Opfergruppen wie sogenannte „Asoziale“ und Menschen, die Opfer von Euthanasieverbrechen wurden. Verbunden war dieses Engagement in der Erinnerungskultur mit einer Schärfung für die Dimension der Shoah mit dem Band der Erinnerung vor dem Synagogenvorplatz, am 4. September 2022 der Öffentlichkeit übergeben, und dem Digitalen Jüdischen Gedenkbuch des Stadtarchivs seit Herbst 2022.
Bisher unberücksichtigt blieb die Gruppe der Zeugen Jehovas. Die Publikation von Edwin Buchmann und Franz Josef Schäfer schließt nun einen blinden Fleck und markiert damit einen Meilenstein in der Erinnerungskultur von Stadt und Land, denn die Zeugen Jehovas blieben lange Zeit eine „vergessene Opfergruppe“ der NS-Zeit. Sie verweigerten konsequent den Hitlergruß und den Kriegsdienst. In den Konzentrationslagern wurden sie durch einen lila Winkel stigmatisiert. Das Stadtarchiv freut sich, dieses Buch gemeinsam mit den Autoren und dem Verlag präsentieren zu dürfen.
Edwin Buchmann, Heusweiler, und Franz Josef Schäfer, Illingen, stellen quellengestützt die Geschichte der Glaubensgemeinschaft im Saarland dar und das Ausmaß der Verfolgung ihrer Anhänger während der NS-Zeit. Im Mittelpunkt stehen die Biografien hingerichteter Kriegsdienstverweigerer und von KZ-Opfern der Zeugen Jehovas. Ebenfalls dargelegt wird das Schicksal saarländischer Siebenten-Tags-Adventisten, Reformationsbewegung und von Anhängern der Neu-Salems-Gesellschaft. Die Publikation ist ein Leuchtturm des Engagements der Zeugen Jehovas selbst um ihre Geschichte und des Historikers Franz Josef Schäfer.
Autoren:
Edwin Buchmann, geboren am 10. März 1949 in Bachem (Saar), 1955–1964 Besuch der Volksschulen Bachem und Merzig, 1964–1967 Lehre zum Kaufmannsgehilfen, 1968–1970 Polizeivollzugsbeamter beim Bundesgrenzschutz in Bonn-Hangelar, ab 1972 im Ersatzteillager in Kfz-Betrieben in Merzig, Losheim und Saarbrücken, von 2009–2022 selbständig. 1972 Taufe als Zeuge Jehovas.
Franz Josef Schäfer, geboren am 9. April 1953 in Illingen (Saar), 1960–1964, 1964–1973 Besuch des Staatlichen Realgymnasiums Lebach, 1974–1979 Germanistik- und Geschichtsstudium an der Universität des Saarlandes, bis 2019 Lehrer an der Geschwister-Scholl-Schule Bensheim, Mitglied der Hessischen Historischen Kommission Darmstadt. Publikationen (Auswahl): Jugend zwischen Kreuz und Hakenkreuz, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1991, 2. Aufl. 1992 (gem. mit Bernhard Haupert). Willi Graf und der Graue Orden, St. Ingbert: Röhrig 2017. Einmal Theresienstadt und zurück. Familie Lansch wehrt sich gegen die Nazis, St. Ingbert: Röhrig 2019. Arnold Fortuin. Die Verfolgung der Sinti und Roma im Saarland, Saarland: Blattlaus 2022.
Autoren: Edwin Buchmann, Franz Josef Schäfer
Blattlausverlag: Manni Weiss
Moderation: Dr. Hans-Christian Herrmann, Stadtarchiv Saarbrücken